2023 fehlen in Berlin 17.000 Kita-Plätze, stellte die Bertelsmann-Stiftung in einer Untersuchung fest. Für Kinder, die nicht betreut werden und auch nicht Deutsch als Muttersprache haben, stellt das ein großes Problem dar, wenn sie mit wenig oder gar keinen Deutschkenntnissen ins Vorschulalter kommen.
Im Integrierten Handlungs- und Entwicklungskonzept ist Bildung eines der Handlungsfelder für die Quartiersentwicklung. Um die frühzeitige und lebenslange Förderung der Sprachkompetenz von Kindern zu ermöglichen, sollen auch Angebote für Vorschulkinder wie Sprachlerngruppen und die spielerische Vermittlung von Themen und Sachverhalten bereitgestellt werden.
Seit Mai 2023 gibt es im „Haus der Familie” in der Glasower Straße 54 das Projekt „Vorschularbeit für Kinder ohne Kitaplatz”. Verantwortlich dafür ist Nuran Kara, die Leiterin des Hauses.
Frau Kara, warum ist dieses Projekt so wichtig für den Kiez?
Nuran Kara: Unser Träger, die Kleiner Fratz GmbH, betreibt neben dem „Haus der Familie“ mehrere Kitas in Berlin. Wir wissen, dass es für Familien schwierig ist, einen Kitaplatz zu finden. Dies zeigt sich besonders bei der Sprachstandsfeststellung, bei der die Kinder 18 Monate vor der Einschulung getestet werden. Das betrifft jährlich durchschnittlich 200 Kinder in Neukölln. Fast 95 Prozent von ihnen bestehen den Test nicht. Das bedeutet, dass sie nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, da sie nie eine Kita besucht haben und nicht an Förderangeboten angedockt wurden. Dies führt zwangsläufig zu Problemen in der Schule. Diese Kinder erhalten Sprachfördergutscheine, mit denen sie Sprachfördergruppen besuchen können. Doch zu diesem Zeitpunkt sind sie bereits fünf oder fünfeinhalb Jahre alt. Damit diese Kinder nicht noch mehr Zeit verlieren, müssen sie rechtzeitig vom System aufgefangen werden, indem ausreichend Angebote wie unseres bereitgestellt werden.
Wie alt sind die Kinder?
Nuran Kara: Zwischen drei und fünf Jahren.
Wie kann man sich die Sprachvermittlung vorstellen?
Nuran Kara: Die Kinder kommen zweimal pro Woche, dienstags und donnerstags, für jeweils drei Stunden zu uns. Wir haben zwei Gruppen mit je maximal 15 Kindern. Es ist ein sehr niedrigschwelliges und offenes Angebot. Die Kinder lernen bei uns nicht nur spielerisch die deutsche Sprache, sondern treffen auch andere Kinder und können Freundschaften schließen. Die Familien, aus denen die Kinder kommen, leben oft isoliert und haben wenige Kontakte. Deshalb versuchen wir, sie an unsere Angebote im Familienzentrum anzubinden, damit es nicht nur bei den zwei Tagen bleibt. Bei Bedarf beraten wir die Eltern bei ihren Anliegen und vermitteln sie an weiterführende Einrichtungen, in denen ihnen geholfen wird.
Findet das Projekt nur im „Haus der Familie” statt?
Nuran Kara: Zweimal pro Woche machen wir „Vorschularbeit für Kinder ohne Kitaplatz“ in den Räumlichkeiten des Trägers in der Bruno-Bauer-Straße 9. Alle zwei Wochen sind wir mit der Gruppe auf dem Tipi-Platz an der Späthstraße. Hier erwartetet die Kinder ein vielseitiges Angebot, betreut von erfahrenen Pädagoginnen und Pädagogen. Auf der Brachwiese lernen die Kinder die Natur kennen, entdecken Pflanzen und Tiere. Sie haben viel Bewegungsfreiheit und können ihrer Fantasie freien Lauf lassen, indem sie den Platz mitgestalten. Dabei werden die Kinder gezielt in Bezug auf den Erwerb der deutschen Sprache gefördert.
Wie kommen die Familien und Kinder zu Ihnen?
Nuran Kara: Die Familien können uns jederzeit telefonisch oder per E-Mail kontaktieren. Wir informieren die Eltern über das Angebot und nehmen dann im Rahmen eines Kennenlerntermins das Kind auf.
Das Projekt läuft bis Ende 2026, was passiert danach?
Nuran Kara: Der Bedarf besteht weiterhin. Wir streben selbstverständlich eine Regelfinanzierung an. Parallel dazu werden wir versuchen, verschiedene andere Förderquellen zu erschließen.
Das „Haus der Familie“ gibt es seit 14 Jahren im Kiez. Es ist inzwischen zu einer festen Größe unter den Aktiven im QM-Gebiet geworden und zugleich Anlaufstelle und Treffpunkt für Familien. Es bietet Eltern Beratungen an zur Entwicklung, Erziehung, Gesundheit und zum Familienleben. Familien können sich mit anderen austauschen und gemeinsam mit ihren Kindern spielen, sich kreativ betätigen, musizieren, Sporttreiben, lesen oder ihre Sprachkenntnisse verbessern. Auch die Stadtteilmütter treffen sich dort und begleiten Familien bei der Integration.
Das „Haus der Familie“ versteht sich auch als frühkindliche Bildungseinrichtung. Großen Wert wird auf die Betreuung der Eltern mit Kindern im Alter von unter drei Jahren gelegt, da hier die Grundlagen für entscheidende Kompetenzen geschaffen werden.
„Vorschularbeit für Kinder ohne Kitaplatz”
Ansprechpartnerin: Nuran Kara
Mobil: 0176-70558769
E-Mail
Flyer des Projekts